Extremerprobung mit dem EC 145 T2
EZM 10 und 103 Ti Ar an Bord eines Hochleistungshubschraubers von Airbus Helicopters
Die Entwicklung des Technischen Standards für Fliegeruhren (TESTAF) wurde, zusammen mit anderen Partnern, von dem renommierten Hubschrauberhersteller Airbus Helicopters begleitet und unterstützt. Nach dem TESTAF werden Uhren zertifiziert, die alle Anforderungen an die Zeitmessung beim zivilen Flugbetrieb nach Sicht- und Instrumentenflugregeln erfüllen.
Im Rahmen des TESTAF, von Sinn Spezialuhren beim Fachbereich Luft- und Raumfahrttechnik an der Fachhochschule Aachen unter der Federführung von Prof. Frank Janser initiiert, entwickelten die Prüfingenieure der Fachhochschule zahlreiche Laborversuche. Durch die kooperative Partnerschaft mit Airbus Helicopters war es möglich, umfangreiche begleitende Untersuchungen durchzuführen, und zwar während der extremen Flugerprobung der EC 145 T2. Hierbei handelt es sich um den neuesten Hochleistungshubschrauber von Airbus Helicopters.
Ermittlung der Leistungsgrenzen unter extremsten Bedingungen
Im Vorfeld des Zulassungsverfahrens für Hubschrauber steht die Ermittlung der Leistungsgrenzen unter extremsten Bedingungen. Diplom-Ingenieur Michael Herr, Vice President und National Quality Director Germany von Airbus Helicopters, und Diplom-Ingenieur Volker Bau, Chef-Testpilot von Airbus Helicopters, unterstützten maßgeblich auch die Tests an unseren Uhren. Insbesondere Volker Bau und seine Mannschaft überprüften die theoretisch gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der praktischen Prototypen-Erprobung der EC 145 T2. Sie führten vielfältige Untersuchungen in der sogenannten Heiß- und Kalterprobung sowie bei Höhenversuchen in den Wüsten der USA, in den Rocky Mountains und in der Eiswüste Alaskas durch. Immer mit an Bord – besser am Handgelenk – waren unsere Fliegeruhren EZM 10 und 103 Ti Ar. So wurden zum Beispiel bei der Kalterprobung die Uhren bei Temperaturen von bis zu minus 45°C ungeschützt, über dem Fliegeroverall, getragen.
Kampagne zur Zulassung der neuen EC 145 T2
Die EC 145 T2 ist als ziviler Multifunktions- und Rettungshubschrauber die neueste Entwicklung der BK117 Familie. Neben vielen kleinen Modifikationen besticht die Maschine durch stärkere Triebwerksleistung, ein modifiziertes Hauptgetriebe und einen hochmodernen Fenestron (gekapselter Heckrotor) zum Ausgleich des Drehmoments. Großer Wert wurde bei der Entwicklung auch auf gute Einmotoren-Leistung und Einsatz in großer Höhe gelegt.
Der Erstflug des Prototyps fand am 25. Juni 2010 in Donauwörth mit der Besatzung Volker Bau und Carl Ockier statt. Um den Hubschrauber weltweit einsetzen zu können, muss er unter extremen Umweltbedingungen getestet werden. Für die Erprobung wurde der Hubschrauber deshalb mit einer hochmodernen Messanlage ausgerüstet, die über 400 Messstellen überwachen kann. Vor allem bei kritischen Flügen ließen sich so die Daten auch online von den Fachingenieuren in der Bodenstation überwachen. Je nach Flugprogramm wurden in einem Flug bis zu 150 Testpunkte erflogen. Die Flüge konnten bis zu zwei Stunden dauern und verlangten von der Besatzung höchste Konzentration, insbesondere wenn Testpunkte erflogen wurden, um die Leistungsgrenzen des Hubschraubers zu ermitteln. Die erflogenen Daten dienen der internationalen Zulassung und gingen in das Flughandbuch ein. Die Erprobung ergab, dass die EC 145 T2 in einem Temperaturbereich von minus 40°C bis plus 50°C und bis zu einer maximalen Flughöhe von 20.000 ft (1 ft = 0,3048 Meter, 20.000 ft = 6.100 Meter) zugelassen ist.
Die Heißerprobung
Für die Heißerprobung wählte man Lake Havazu, Arizona. Bei Außentemperaturen von bis zu 50°C unterzogen die Piloten den Hubschrauber in über 50 Flugstunden den verschiedenen Tests. Ein besonderer Schwerpunkt galt möglichen Triebwerksausfällen und Steigflügen auf bis zu 23.000 ft (= 7.010 Meter). Jeder Flug bedeutete für die Besatzung höchste Konzentration und Anspannung. Die körperliche Belastung unter diesen extremen Bedingungen (mit Temperaturen von bis zu 60°C in der Pilotenkanzel) entspricht der eines Halbmarathon-Läufers. Neu bei dieser Erprobung waren die speziellen „Cooling-Shirts“. Diese Hemden aus dem Rennsport dienten dazu, den Oberkörper zu kühlen. Dabei wurde kaltes Wasser durch ein auf dem Hemd aufgenähtes Leitungssystem gepumpt. Dennoch mussten die Piloten, gerade während der Schwebeflugtests, ständig ausreichend Wasser trinken.
Zur Bestimmung der Flugeigenschaften im Langsam-Flugbereich wurde die „Pacevehicle“-Methode genutzt. Das bedeutet, die genaue Geschwindigkeit wurde von einem Kraftfahrzeug bestimmt, das mit einem Windmesser ausgestattet war. Der Hubschrauber folgte diesem Fahrzeug in gleichbleibendem Abstand (circa 30 Meter) und bekam so eine exakt definierte Referenzgeschwindigkeit. Die Position der Steuerorgane mit den notwendigen Steuereingaben sowie die Triebwerks-Leistungsdaten ergaben dann die Hover-Eigenschaften des Hubschraubers (Schwebeflug).
Nach Abschluss der Heißerprobung wurde die EC145 T2 von Lake Havazu zum neuen Testort in Leadville, Colorado geflogen. Die Überführung führte vorbei an Lake Powell über Monument Valley nach Montrose am Rande der Rocky Mountains. Da die EC145 T2 speziell für den Einsatz in großen Höhen modifiziert wurde (Bergrettung auch mit Einsatz der Rettungswinde), sollten in Leadville die Nachweise zu Triebwerksausfällen und Flugeigenschaften erflogen werden. Leadville ist Nordamerikas höchstgelegener Flugplatz (9.927 ft = 3.026 Meter über dem Meeresspiegel). Für das 10-köpfige Team war es eine besondere Herausforderung, fünf Wochen in über 3.000 Meter Höhe zu leben und zu arbeiten. Der Höhe angepasst, gingen in dem kleinen Bergdorf Leadville die Uhren etwas langsamer. Zudem verlangte das Fliegen des Prototyps mit der hochkomplexen Messanlage viel Improvisation. Ein windiger, nicht geheizter Blechhangar für den Hubschrauber und ein Bürocontainer bildeten für das Testteam die zweite Heimat. Landschaftlich allerdings zeigten die Rocky Mountains fernab vom Prominenten-Skiort Aspen ein beeindruckendes Panorama.
Die Kalterprobung
Nach Abschluss der Tests in mittleren Höhen in Canyon City wurde die Maschine bei Airbus Helicopters in Dallas für den langen Landtransport nach Kanada vorbereitet. Zwei LKW brachten den zerlegten Hubschrauber und die Ausrüstung über 4.000 Kilometer nach Inuvik ins nordwestliche Kanada, das letzte Stück über die berühmte Iceroad. Die Trucks konnten hier teilweise nur 25 km/h fahren und mussten ihre Tour wegen Schneesturms für knapp eine Woche unterbrechen.
Die Landschaft um das 3.000 Einwohner zählende Dorf Inuvik ist im Sommer wunderschön. In den Wintermonaten herrschen hier allerdings extreme Temperaturen von minus 40°C. Ein Überleben ohne entsprechende Ausrüstung ist im Freien, zumindest für Europäer, kaum möglich. Dennoch musste auch hier das gesamte Programm absolviert werden. Hinzu kamen sogenannte „Coldsoak“-Tests. Dabei stand der Hubschrauber über längere Zeit, meist nachts, im Freien und musste so beweisen, dass er sofort anspringt, um seine Mission zu beginnen. Die Arbeiten am Hubschrauber gestalteten sich schwierig, da sich die Werkzeuge mit den dicken Handschuhen kaum bedienen ließen. Die meisten Tätigkeiten wurden im Freien durchgeführt, da der Hubschrauber nur für umfangreichere Überprüfungen in die geheizte Halle kam. Die Differenz zwischen Hallen- und Außentemperatur betrug 60 Kelvin. Das Öffnen der Hallentore war deshalb mit einem erheblichen Heizkostenaufwand verbunden.
Viele der Testflüge dienten zum Nachweis der Flugleistungen. Zur genauen Datenermittlung musste sogar mit ausgeschalteter Heizung geflogen werden. Die Flüge erfolgten dabei auf Höhen über 20.000 ft (6.100 Meter) bei minus 45°C. Auch im Cockpit waren in diesen Momenten die Temperaturen deutlich unter minus 30°C. Die Besatzung war deshalb mit dicker Kleidung, Fallschirmen und Sauerstoffmasken ausgerüstet. Der Sauerstoff war für die Höhe optimiert, dennoch gefror das Schwitzwasser in der Maske immer wieder.
Bei jeder Landung wurde die Besatzung mit dem sogenannten „White Out“-Problem konfrontiert. Der Abwind des Hubschraubers wirbelte dabei eine Schneewalze auf, die bei einer Geschwindigkeit von weniger als 30 Knoten den Hubschrauber einholte und dem Piloten jegliche Referenz nahm. Das heißt, er sah nur noch Weiß, und das Risiko eines Orientierungsverlustes und eines ungewollten Absetzens (Aufprall) nahm sehr stark zu. Bei Temperaturen von minus 20°C ist der Schnee hier deutlich trockener und feiner, als man das aus Deutschland gewohnt ist.
Das Fazit
Sowohl die EC145 T2 als auch der EZM 10 und die 103 Ti Ar bestanden die Extremprüfungen mit Bravour. Dabei gelang es den innovativen Ingenieuren von Airbus Helicopters und Sinn Spezialuhren erneut, die Einsatz- und Funktionssicherheit ihrer mit neuester Technologie ausgestatteten Produkte im harten operationellen Einsatz unter Extrembedingungen zu beweisen.
Stichwort Tiefkühlschrank
Im Rahmen des Zulassungsverfahrens wurde der EC145 T2 für 24 Stunden bei Außentemperaturen von minus 45 °C stark unterkühlt. Die Zulassungsspezifikationen schreiben weiterhin vor, dass die Batterie bei einer Temperatur von minus 20 °C, also circa 25 Kelvin über der Außentemperatur, gelagert werden muss. Zum Aufbewahren der Batterie hatten die Techniker deshalb in Inuvik einen handelsüblichen Tiefkühlschrank bestellt. Die einheimischen Inuits waren darüber sichtlich irritiert und konnten sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sie legen ihr Tiefkühlfleisch üblicherweise nicht in eine Tiefkühltruhe, sondern hinters Haus. Den gewünschten Tiefkühlschrank haben sie dennoch geliefert.
Technische Daten des EC 145 T2
Erstflug | 25.06.2010 |
Triebwerk | 2 x Turbomeca ARRIEL 2E |
Leistung | 2 x 800 kw |
Höchstabfluggewicht (MTOW) | 3.650 kg |
Leergewicht | ca. 2000 kg |
Höchstgeschwindigkeit (VNE) | 150 KIAS (Knoten) |
Personenzahl (POB) | 1 Pilot + 9/10 Passagiere oder 2 Piloten + 8/9 Passagiere (je nach Konfiguration) |
Reichweite | 650 km |
Flugdauer | 3,5 Stunden |
Temperaturbereich | minus 45°C bis ISA plus 35°C |